Dürfen Hühner Rasenschnitt fressen?

Dieser Post könnte auch heißen „Müssen Mütter immer Recht haben?“. Denn als ich irgendwann im letzten Herbst meine Mutter am Telefon mit den Worten: „ich will noch schnell eine Bahn Rasen für die Hühner mähen“ abwürgte, sagte sie sofort: „Hühner dürfen keinen Rasenschnitt fressen!“

Warum konnte sie mir allerdings nicht erklären.

Ich grübelte eine ganze Zeitlang und guckte in meine Fachbücher, denn auch wenn man selber schon fast Teenager im Haus hat, hat die eigene Mutter ja doch immer irgendwie Recht. Ich konnte allerdings keinen wirklichen Grund gegen das Füttern von Rasenschnitt finden und alle, die ich fragte, fütterten auch Rasenschnitt. In unser neues Gehege hatte ich zwar Rollrasen gelegt, dieser hatte aber gerade mal eine Woche Grünfutter für vier Hühner geliefert. Und so mähte ich alle paar Tage eine Bahn Rasen und warf sie ins Gehege.

Letzte Woche ging es dann plötzlich unserem Huhn Anton schlecht. Erst kam sie nur langsam zur morgendlichen Fütterung, dann wollte sie gar nicht mehr aus dem Stall und hatte Durchfall. Sie zog zu uns ins Haus und dann wieder aus, weil mein Mann mir Vorträge hielt, dass in Asien auch Geflügel und Mensch zu eng zusammenleben und man ja sehen kann, was dann passiert. Jedenfalls separierte ich sie von den anderen Hühnern, ließ im Labor den Kot auf Parasiten untersuchen, fahndete nach anderen Ursachen und päppelte sie mit Breinahrung. Alles war leider vergeblich, nach ein paar Tagen starb sie.

Zart besaitete Leser überspringen bitte den nächsten Absatz.

Um die Todesursache herauszufinden, entschied mich für eine Sektion. Bewaffnet mit meinem uralten Geflügel-Anatomie-Buch, Skalpell, Pinzette und Geflügelschere ging ich der Sache auf den Grund. Unterstützung hatte ich per Telefon von einer ehemaligen Kommilitonin, die sich auf Veterinärpathologie spezialisiert hat und meiner Tochter, die zwar Vegetarierin ist, aber unbedingt Fotos machen wollte (die wir dann notfalls in die Patholgie hätten schicken können). Keine Angst, ich zeige die Bilder hier nicht!

Und siehe da: abgesehen davon, dass Anton sehr viel Fettgewebe besaß (der Käse als Leckerli wurde seitdem für die anderen Hühner gnadenlos reduziert), war auffällig, dass Kropf und Magen voller Rasenschnitt waren. Außerdem roch der Inhalt des Kropfes stark säuerlich. Ich denke, dass Anton an einer Kropfverstopfung litt. Die Grashalme waren länger als üblich gewesen und sie hatte sich die ganzen Halme reingestopft, anstatt wie beim Fressen vom Rasen nur kleine Stücke mit dem Schnabel abzureißen. Diese haben sich vermutlich im Kropf verknotet, den Ausgang blockiert und zu gären begonnen. Es konnte dadurch keine Nahrung mehr weitertransportiert werden. Warum sich der Kropf allerdings dann nicht viel auffälliger beim Tasten anfühlte und der Magen trotzdem noch prall gefüllt war, bleibt mir ein Rätsel. Und einmal mehr wünschte ich, in den Geflügelvorlesungen besser aufgepasst zu haben. Dem armen Huhn hat es mal gerade gar nichts genützt, bei einer Tierärztin gewohnt zu haben.

Rasenschnitt wird bei uns jedenfalls nicht mehr gefüttert.
An Mama: diese Veröffentlichung muss als Genugtuung reichen, bitte sprich das Thema nicht auch noch am Telefon an!

Reumütige Grüße,
Julia

P.S. Wer nicht weiß, was ein Kropf ist, kann hier gucken!