Hündinnen, Hormone, Halbwissen!

Vor einiger Zeit fragte Andrea von Newspinscher nach den hormonellen Folgen der Kastration bei Hündinnen: Gibt es die überhaupt, wie erkennt man diese und was kann man gegebenenfalls tun?

Tja, diese Frage hatte es in sich und beschäftigt mich seitdem kontinuierlich. Aber eine richtig gute Antwort habe ich bisher nirgendwo gefunden.

Zunächst ein paar Grundlagen:

Kastration, Ovariohysterektomie, Ovarektomie

Ovarektomie oder Ovariohysterektomie?

Zu meiner Anfangsassistentinnenzeit war es üblich, bei jeder Kastration nicht nur die Eierstöcke, sondern auch gleich die Gebärmutter  zu entfernen. Damit sollte das Risiko von eventuellen Gebärmuttervereiterungen (Pyometra) oder Krebserkrankungen minimiert werden.

Derzeit wird eher empfohlen, bei jungen Hündinnen mit gesunder, unveränderter Gebärmutter nur die Eierstöcke zu entfernen. Durch den Wegfall der Hormone bildet sich dann nämlich die Gebärmutter „von alleine“ vollkommen zurück. Wie das derzeit an den Tierärztlichen Hochschulen gelehrt wird, weiß ich leider nicht, aber vielleicht können unsere mutmaßlich jüngeren Kolleginnen von felis-fidelis und querpfoten da Auskunft geben?

Eierstöcke weg = Hormone weg?

In den Eierstöcken werden Hormone wie Östrogen, Progesteron und Testosteron (ja, auch bei weiblichen Wesen) gebildet. Die Bildung dieser Hormone wird im Gehirn gesteuert. Im Hypothalamus wird das Hormon GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) gebildet, das zu einer Ausschüttung von FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon) aus der Hypophyse führt. Und diese führen wiederum zur Bildung von Östrogen und Co in den Eierstöcken.

Daraufhin erfolgt eine negative Rückkopplung: Das Gehirn erkennt die zirkulierenden Hormone im Blut und schüttet weniger GnRH, FSH und LH aus, es sind ja ausreichend Hormone vorhanden. Als Folge wird wieder weniger Östrogen gebildet. Dadurch „springt“ der Regelkreis wieder an und der Zyklus beginnt von vorne.

Werden die Eierstöcke entfernt (Kastration!), kann kein Östrogen mehr gebildet werden. Die Gehirn bemerkt dies und schüttet daraufhin sehr viel GnRH und folgend FSH und LH aus, um die Hormonproduktion wieder in Gang zu bringen. Durch die dauerhaft hohe Bildung von GnRH kommt es nach einigen Wochen durch eine „Down-Regulation“ jedoch zum Erliegen der FSH- und LH-Sekretion.

Kastrierter Hund ohne Hormone

Was passiert durch den Wegfall der Hormone bei der Hündin und wie kann man das mit den Wechseljahren der Frau vergleichen?

Nach der Kastration fehlt der Hündin das Hormon Östrogen. Das ist im Prinzip bei einer Frau NACH DEM ENDE der Wechseljahre genauso. Typische Symptome von Frauen sind körperliche Beschwerden wie Hitzewallungen, Nachtschweiß, Schlafstörungen, Hautveränderungen, Gewichtszunahme, Gelenkschmerzen, Schwindel, Kopfschmerzen, Inkontinenz, Erschöpfung und verschiedene Veränderungen im Sexualleben. Psychische Beschwerden sind beispielsweise Ängste, Depressionen, Stimmungsschwankungen, Gedächtnisstörungen usw.

Und bei der Hündin? Gewichtszunahme, Inkontinenz und Fellveränderungen (=Hautveränderungen?) sind allgemein bekannte Nebenwirkungen einer Kastration. Über andere Symptome konnte ich weder in der Literatur noch in der Reproduktionsmedizin der Tierärztlichen Hochschule Hannover weitere Informationen erhalten. Ich würde sagen, da sollte dringend mal weiter geforscht werden! Habt Ihr noch weitere Symptome bei euren Hündinnen entdeckt, sollten sie kastriert sein?

Inkontinenz, Gewichtszunahme, Fellveränderungen der Hündin – was tun?

Zumindest bei den bekannten Nebenwirkungen einer Kastration möchte ich kurz einen Einblick in mögliche Behandlungsmaßnahmen geben.

Gewichtszunahme: Da hilft leider nur eine restriktive Fütterung und ausreichend Bewegung! Und mit der Reduzierung des Futters sollte man sofort nach der Kastration beginnen und nicht erst, wenn man die Gewichtszunahme selber entdeckt!

Inkontinenz/Harnträufeln: Hier gibt es verschiedene Behandlungsansätze:

  1. Das Medikament Incurin® enthält ein natürliches Estriol (Östrogen) mit sehr kurzer Wirkungsdauer. Es wird täglich als Tablette verabreicht und wirkt auf den Schließmuskel der Harnröhre. Mein Rat: Sind bei einer Hündin nur die Eierstöcke entfernt worden, kann das Hormon noch auf die Gebärmutter wirken. Das würde ich im Detail mit dem behandelnden Tierarzt diskutieren!
  2. Als nicht-hormonelle Therapie steht der Wirkstoff Phenylpropanolain (Propalin-Sirup®) zur Verfügung. Diese Medikament ist ein so genanntes Alpha-Adrenergikum und bewirkt eine Kontraktion glatter Muskulatur – wie sie am Ausgang der Harnröhre vorhanden ist.
  3. Eine weitere hormonelle Therapiemöglichkeit bietet ein Implantat mit dem Wirkstoff Deslorelin (Suprelorin®). Dieses Medikament setzt kontinuierlich GnRH frei. Die genaue Wirkungsweise ist noch nicht geklärt, aber es scheinen Rezeptoren für dieses Hormon am „Verschluss“ der Harnröhre zu sein, die dadurch erneut stimuliert werden. Jedenfalls hilft Deslorelin bei ca. 50% der von Harnträufeln betroffenen Hündinnen.

Incurin und Propalin können auch kombiniert eingesetzt werden!

Fellveränderungen: Incurin und Suprelorin scheinen in einigen Fällen auch eine Verbesserung der Fellqualität zu bewirken.

Dieser Hund ist nicht kastriert

Und Vitamin D?

Einige Frauen scheinen mit einer Einnahme von Vitamin D3 einige der unangenehmen Begleiterscheinungen gut kontrollieren zu können. Insgesamt scheinen wir fast alle einen Vitamin-D-Mangel zu haben, daher wurden vor einigen Jahren auch die Richtwerte für dieses Vitamin erhöht. Alle Studien, die ich zum Thema Vitamin D bei Hunden gefunden haben, bezogen sich allerdings auf Knochen, Darm oder Allergien. Über Fellveränderungen, Harnträufeln oder Gewichtszunahme konnte ich leider gar nichts finden…

Das waren jetzt viele Worte zum Thema Hündin und Hormone – und doch irgendwie nur Halbwissen, denn neben den sicherlich bereits bekannten Nebenwirkungen Harnträufeln, Gewichtsprobleme und Fellveränderungen konnte ich nicht wirklich Neues bieten. Es besteht eindeutig Forschungsbedarf, aber damit sind Uta und ich glücklicherweise seit vielen Jahren durch.
Ich mache jetzt erstmal 3 Wochen Urlaub! Ich habe mir ein dickes Buch zum besseren Verständnis meiner Kamera gekauft und hoffe, dass mir ein paar wilde Tiere zum Üben vor die Linse laufen. Uta hält hier so lange die Stellung!

Bis bald,
Julia

10 Kommentare

  1. newspinscher@gmail.com'
    Andrea sagt:

    Liebe Julia,

    vielen Dank noch einmal für Deine recherchenhaften Bemühungen. Das deckt sich in etwa mit dem, was ich soweit herausgefunden habe. Man könnte auch sagen, nichts genaues weiß man nicht oder niemand… lach

    Ich denke mal, die Forschungen zu diesem Thema laufen erst an.

    Jetzt fehlt mir persönlich in Bezug auf Linda auch der vorher – nachher Vergleich, auch im Hinblick darauf, dass sie meine erste Hündin ist. Das geht ja schon los, dass ich nicht mal weiß, wann und in welcher Form sie „kastriert“ wurde. In Spanien halt. Mit ihrem Gewicht habe ich ständig zu kämpfen, aber vielleicht war sie vorher schon genauso verfressen. Auch über charakterliche Veränderungen kann ich keine Aussagen machen. Einzig und allein konnte ich deutlich eine Veränderung des Fells feststellen, welches wesentlich dichter als bei Übernahme aus dem Tierschutz geworden ist, aber auch eine farbliche Veränderung durchgemacht hat. Zuvor lackschwarz, war es das innerhalb des ersten Jahres dann nur noch auf dem Rücken. Der Rest ist mehr oder weniger bräunlich meliert, was je nach Lichteinfall und Jahreszeit mehr oder weniger deutlich zu Tage tritt. Haaren tut sie durchgehend und nicht gerade wenig…

    Außerdem bekommt sie schon ein graues Schnäuzchen, was mich ein bisschen erschreckt. Aber ihr genaues Alter (ca. 5-6 Jahre) ist ja auch nur eine Vermutung und vielleicht ist sie einfach auch schon deutlich älter.

    Ich denke mal, zum nächsten Winterhalbjahr werde ich auf jeden Fall über eine Vitamin D Prophylaxe nachdenken. Mein eigener nicht vorhandener Wert hat mich da echt stutzig gemacht.

    Auf jeden Fall wünsche ich Dir jetzt erstmal 3 wunderschöne Urlaubswochen. Mit einem dicken Kamerabuch kommt man auf jeden Fall zu deutlich besseren Ergebnis als bei der Recherche zu Hormonfragen… 😉

    LG Andrea

    • info@vetfoodcoach.de'
      Charlotte sagt:

      Hallo Andrea,
      liebe Linda,

      ich bin per Zufall über den tollen Bericht und Deinen Kommentar gestolpert.

      Ich möchte gerne 2 Sachen teilen, die vielleicht auch Linda zu Gute kommen… 🙂

      Hunde müssen ihr Vitamin D über das Futter aufnehmen. Sie können es nicht wie wir über die Haut synthetisieren (zumindest nicht in ausreichender Menge). Eine regelmäßige Vitamin D-Zufuhr ist daher auch im Sommer wichtig.

      Schwarzes Fell, das seine Farbe verliert und langsam braun wird, kann auch an einem Aminosäuremangel liegen. Schau mal hier: http://www.ivis.org/advances/rc_de/A4502.1207.DE.pdf?LA=5
      Seite 5 zeigt ganz anschaulich, wie wichtig Phenylalanin bzw. Tyrosin für die Fellfarbe ist.

      Vielleicht helfen die Info bei Lindas Fütterung :-).

      Liebe Grüße
      Charlotte von Vetfoodcoach

      • newspinscher@gmail.com'
        Andrea sagt:

        Liebe Charlotte,

        vielen Dank für die nützlichen Links. Ich habe mich mal ausführlich eingelesen, denke aber, dass Linda ganz ausgewogen gebarft wird. Ich halte mich da an die Vorgaben einer Futterberaterin für Barf http://mashanga-burhani.blogspot.de/ und für mich klingt das, was dort geschrieben steht, plausibel. Die Suplementierung von Vitamin D werde ich allerdings ins Auge fassen, da sich ja die wenigsten Haushunde ganztägig im Freien aufhalten können.

        Das mit der rot-orangenen Verfärbung habe ich schon mal bei einem Hund mit hellem Fell gesehen. Bei Linda ist das allerdings wirklich mehr braun und hat sich seit 2013 auch nicht mehr in irgendeiner Weise verändert. Geht man noch davon aus, dass sie bei Übernahme aus dem Tierheim eher eine hochwertigere Nahrung als zuvor erhalten hat, würde ich bei dieser Fellveränderung nicht zuerst an Futter denken. Hier der ursprüngliche Blogbeitrag dazu

        http://newspinscher.blogspot.de/2013/05/rattenscharf-produkttestung-lackschaden.html#comment-form

        LG Andrea

    • Julia sagt:

      Das hoffe ich auch, dass meine Kamera-Ergebnisse sich mal deutlich verändern! Sonst wünsche ich mir einen Lehrgang bei Dir!

  2. ueberraschungspakethund@googlemail.com'
    Isabella sagt:

    Danke auch von mir für diesen Artikel … wobei ich auch gerne mehr wüsste! Bei uns haben wir jetzt mit Cara ja die erste kastrierte Hündin – bei ihr wurde das schon mit 4 Monaten im Tierheim gemacht.
    Unterschiede stelle ich natürlich fest – allerdings kann das auch einfach an ihrer Art liegen.
    Das einzige was ich deutlich merke ist ein vermehrtes Auftreten von Blasenreizungen oder auch -entzündungen. Aber auch das kann mit ihrem dünneren Fell oder der Vorliebe für Wasser erklärt werden und muss nicht mit der Kastration in Zusammenhang stehen. Allerdings tue ich mir sehr schwer mit solchen sehr frühen Kastrationen.
    Wir haben Cara ja mit 5 Monaten bekommen und haben noch einen Unterschied bemerkt. Alle vorherigen Hunde haben mit ca. 1 – 1,5 Jahren einen „Fellwechsel“ durchlebt. Das plüschige Fell wurde irgendwie „anders“ – bei Cara hat sich nichts geändert (sie ist aber auch lange nicht so plüschig wie ihre Vorgängerinnen)!
    Ich wünschte, man könnte zu dem Thema mehr erfahren.

    Liebe Grüße und eine schöne Urlaubszeit,
    Isabella mit Damon und Cara

    • Julia sagt:

      Liebe Isabella,
      eigentlich kann es gar nicht anders sein, als das sich jemand dieses Thema mal ordentlich wissenschaftlich vornimmt. Wir brauchen wohl einfach noch ein bisschen Geduld…
      LG, Julia

  3. lotta@lottasblog.de'
    Lotta sagt:

    Ein sehr interessantes Thema (wieder einmal!)
    Was mich noch interessieren würde: Ab welchem Alter muss man bei einer kastrierten Hündin mit Inkontinenz rechnen? (Oder tritt diese, falls sie auftritt, gleich nach der Kastration auf?)
    Liebe Grüße
    Lotta mit Frau Zweibein

    • Uta sagt:

      Liebe Lotta,
      die Inkontinenz kann sofort auftreten oder auch später, alles möglich! Aber du als Leichtgewicht brauchst dir nicht so viele Sorgen zu machen, je schwerer die Hündin, desto höher die Wahrscheinlichkeit!
      Liebe Grüße
      Uta

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