Voll in die Nesseln

„Oh ha“, dachte ich, als ich am Morgen während der Hunderunde an der Pferdeweide vorbei ging, auf der das Pflegepony meiner Tochter mit einem Kumpel stand. Nicht nur, dass sich die beiden Ponys bereits um 9°° Uhr morgens ans Gatter drängten, um mitgenommen und in einen stechinsektenfreien Stall gebracht zu werden, nein, das Pony sah außerdem aus wie ein Streuselkuchen. Oder als hätte es sich in Brennnesseln gewälzt. Ich sah zu, dass ich die Ponys schnellstens in den Stall brachte. Vermutlich hätte ich nur das Gatter öffnen müssen und sie wären von allein ohne Zwischenstopp an Apfelbaum oder Nachbarweide in ihre schützenden, kühlen Boxen getrabt. Hat mich wieder mal in meiner Meinung bestätigt, dass ein Witterungsschutz auf Pferdeweiden im Sommer mindestens genauso wichtig ist wie im Winter! Das steht übrigens auch in den Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichstpunkten, die auch noch viele andere nützliche Informationen zur Pferdehaltung enthalten.
Zumindest sah das Pony mitleiderregend aus. Hals und Sattellage waren mit kleinen Quaddeln bedeckt, eine neben der anderen. Typischer Fall von Nesselausschlag, Nesselsucht, Nesselfieber oder Urtikaria, ganz, wie man es nennen möchte.

Urtikaria beim Pferd

deutliche Symptome einer Nesselsucht bei diesem Pferd

Urtikaria3

Woher kommt Nesselsucht oder Urtikaria beim Pferd?

Nun ist das Phänomen schnell beschrieben, aber die Ursachenforschung ist schwierig. Der Ausschlag ist eine Reaktion des Immunsystems auf einen „Reiz“, der ganz unterschiedlich aussehen kann:

Der Reiz kann von außen einwirken. Beispiele dafür sind Berührungen mit hautreizenden Pflanzen (z.B. Brennnesseln), Insektenstiche, äußerlich angewendete Medikamente z.B. zur Insektenabwehr, andere chemische Stoffe, Farben, Peitschenhiebe (!) u.v.a. Auf einen äußeren Reiz entwickelt sich der Nesselausschlag in der Regel nur in dem Bereich, der dem Reiz ausgesetzt war. Reagiert das Pferd aber allergisch auf einen äußeren Reiz, dann tritt die Nesselsucht auch generalisiert auf, d.h. über den ganzen Körper verteilt.

Der Reiz kann aber auch von innen kommen. Die Nesselsucht ist dann eine Begleiterscheinung eines immunologischen Vorgangs oder einer Allergie, die sich im Körper abspielen. Beispiele für innere Reize sind Unverträglichkeiten nach Medikamentengabe oder auf bestimmte Futtermittel, großer Stress, Schockzustand nach Unfall, Virusinfektionen wie z.B. Equine Virusarteritis (EVA), Bakterien wie z.B. bei Druse bzw. Petechialfieber u.v.a.

Medizinische Fakten zur Nesselsucht habe ich hier zusammengefasst. Und über Druse und Petechialfieber schreibe ich bald mal einen eigenen Beitrag, denn es kommt mir so vor, als hörte man wieder vermehrt von diesen „ollen Kamellen“.

Ursachenforschung – wodurch entsteht eine Nesselsucht?

Große Frage: Was war jetzt die Ursache bei diesem Pony? Das andere Pferd auf der Weide zeigte keine Symptome. Wenn man so einen Fall hat, kann man sich der Ursache eigentlich nur über den Ausschluss anderer nähern: Also: Medikamente hatte es nicht bekommen, auch kein anderes Futter. Verprügelt wurde es auch nicht…!!! Andere Krankheitsanzeichen wies das Pony nicht auf. Das sprach gegen Druse, Virusinfekt etc. Die Möglichkeit einer solchen Grunderkrankung muss man aber natürlich immer im Auge behalten, da sich so eine Erkrankung ja auch im symptomlosen Anfangsstadium befinden könnte. Behalten wir also im Blick, ob noch irgendwelche Anzeichen auftreten. Chemische Stoffe? Insektenstiche? Pflanzen? Diese Ursachen konnte man eigentlich alle nicht wirklich ausschließen, schließlich leben wir auf dem Lande: Landwirte (und Hobbygärtner!!!) verwenden Spritz- und Düngemittel, Bremsen, Kriebelmücken & Co haben Hochkonjunktur und verschiedene Pflanzen wuchsen auch auf der Weide. Unter anderem habe ich eine Bärenklau-Staude entdeckt. Bärenklau enthält einen Stoff, der unter Sonnenlicht zu heftigen Hautreaktionen führt, die Verbrennungen ähneln. Sehr gefährlich für Mensch und Tier. Mehr Infos dazu gibt z.B. die Informationszentrale gegen Vergiftungen des Universitätsklinikums Bonn – was für Kinder gilt, gilt in diesem Fall auch für Tiere!

Bärenklau

Verbrennungen hatte das Pony aber nicht, daher ist Bärenklau als Verursacher unwahrscheinlich. Näher konnten wir also die auslösende Ursache nicht eingrenzen, damit musste ich mich zerknirscht abfinden.

Was tun bei Urtikaria?

Wir haben das Pony erstmal in den Stall gestellt. Also weg von Pflanzen, Insekten und möglichen anderen Verursachern. Da es nur die Quaddeln aufwies, ansonsten aber putzmunter war, haben wir uns für „abwartendes Beobachten“ als Behandlungsansatz entschieden. Wären die Beine angelaufen, Kopfbereich angeschwollen, Verhalten verändert oder Fieber aufgetreten, hätte ich einen Pferdetierarzt hinzugezogen, der vermutlich ein Antihistaminikum oder in schweren Fällen ein Kortisonpräparat verabreicht hätte. Im Zweifelsfall sollte man immer einen Tierarzt hinzuziehen, der mögliche, teils lebensbedrohliche Grunderkrankungen ausschließen kann und auch die Schwere dieser Immunreaktion einschätzen kann. In unserem Fall aber hat die Therapie „Ruhe bewahren und genau beobachten“ gut angeschlagen und schon nach zwei Tagen war der Ausschlag komplett verschwunden. Nun läuft das Pony auf einer anderen Weide und wir sehen zu, dass wir es bei großer Wärme und Insektenplage vorsorglich in den kühlen Stall bringen. Was nun auch immer der Grund für die Nesselsucht gewesen ist, bleibt unklar. Aber man muss ja auch nicht immer alles wissen…..

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Hauptsache, es geht ihm wieder gut!!!

Sommergrüße
Uta

4 Kommentare

  1. lotta@lottasblog.de'
    Lotta sagt:

    Armes Pony, das sieht ja fies aus! Ein Glück, dass es in fachkundigen Händen war! 😉
    Liebe Grüße und dem Pony weiter gute Besserung
    Lotta

  2. petra@pferdefluesterei.de'
    Pferdeflüsterei sagt:

    Armes kleines Ding. Mein Pony hatte genau diese Quaddeln auch einmal, da stand es vor wenigen Tagen am frühen Abend allein auf der Koppel. Es ist noch nicht in die Herde eingegliedert, weil es frisch am Stall angekommen ist und ich denke, dass sich alle Insekten auf die letzte vorhandene Mahlzeit (mein Pony) gestürzt hatten. Da reichten 10 Minuten, die sie da stand, als die anderen schon weggebracht wurden *Seufz* Aber am übernächsten Tag im Paddock waren sie dann Gott sei dank wieder weg. Ähnlich wie bei euch. Deswegen tippe ich auch auf Insekten. Aber es wird weiter beobachtet. Gute Besserung auch an eure Kleine, Petra

  3. info@horseland-mk.de'
    Marika Moga sagt:

    Toller Artikel, super erklärt! Wie es scheint hat jeder Pferdebesitzer mind. 1x im Pferdeleben mit Nesselfieber zu tun, zumindes kenne ich viele Pferde die diesen Sommer darunter gelitten haben hatten. Oft lag es an der Wiese (Kräuter ) aber auch genauso so oft an den stechenden Insekten. Mein TA sagte es sei eine allergische Reaktion. Deine Reaktion war super, schnell das Pony in die kühle Box bringen… DAs sagt uns mal wieder wie wichtig es ist regelmäßig und mehrmals am Tag nach den Pferden zu schauen und wie Du schon sagtest: auch im Sommer benötigen Pferde einen kühlen Unterstand… auch wenn´ s nur zum Erholen vor den Insekten oder Artgenossen ist!
    Viele Grüße, Marika

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