So langsam müssen wir wohl oder übel der Tatsache ins Auge sehen, dass der Sommer vorbei ist. Vorbei ist damit auch die Zeit der lästigen Fliegen, Bremsen, Gnitzen, Wespen, Brummer (!). Allerdings wundere ich mich immer, wo die so plötzliche alle wieder herkommen, sobald auch nur für 10 Minuten die Sonne scheint!
Sommerallergien
Für die Pferde geht damit auch eine große Plage vorbei, leiden sie doch ganz besonders unter den Insekten. Besonders die Pferde mit Sommerekzem, also einer Allergie gegen bestimmte Insektenstiche, können aus ihren Ganzkörperverhüllungen befreit werden, dürfen wieder hinaus mit nacktem Pelz und sind nicht mehr den ganzen Tag mit dem Scheuern von Schweif, Mähne oder Bauch beschäftigt. Außerdem gibt es immer mehr Pferde, die im Frühling und Sommer an einer Allergie gegen Pollen leiden und hustend auf der Weide stehen. Diese Allergieform nennt man SPAOPD (Summer-Pasture-Associated Obstructive Pulmonary Disease) und sie ist sozusagen die kleine Schwester der RAO (Recurrent Airway Obstruction), auf die ich später im Detail zu sprechen komme und unter der so viele unserer Pferde zu leiden haben.
Atemwegsprobleme bei Pferden in Stallhaltung
Denn nun beginnt die Zeit der Heufütterung und viele Pferde müssen Staub und Mief der Stallhaltung ertragen. Die Boxen können noch so groß, hell und sauber sein, die Staub-, Keim- und Schadgaskonzentration ist im Stall immer höher als auf der Weide. Und das greift die empfindlichen Atmungsorgane der Pferde leicht an. Pferdelungen sind darauf ausgelegt, immer gut durchlüftet zu werden, z.B. wenn die Pferde vor irgendwelchen (eventuell auch eingebildeten) Feinden flüchten oder zum nächsten Weideplatz traben. Im Stall brauchen die Pferde nur einen Bruchteil ihres Atemvolumens. Das ist so ähnlich wie bei Leuten, die im Bett liegen müssen und dann nur flach atmen. Diese Patienten bekommen auch schneller eine Lungenentzündung, weil sie ihre Lungen nicht richtig belüften. Und dazu kommt die „schlechte Luft“ im Stall. Neben Staub und Schadgasen wie Ammoniak in der verunreinigten Einstreu trägt auch das Heu dazu bei, die Atmungsorgane anzugreifen. Staub, Milben, Pilze und Pilzsporen sowie Bakterien können ganz grundsätzlich die Atemwege reizen, aber auch zu echten allergischen Reaktionen führen. Übrigens ist es nicht nur das Heu, das stark belastet sein kann. Auch in Müsli, Hafer, Kraftfutter und natürlich in der Einstreu tummeln sich Reizstoffe und Allergene.
Allergische Atemwegserkrankungen
Allergene sind Fremdstoffe, die im Körper eine überschießende Abwehrreaktion des Immunsystems auslösen. Allergien bei Pferd äußern sich entweder in Hautreaktionen wie beim Sommerekzem oder bei der Nesselsucht, oder als anhaltender Husten. Solcher Husten wird als RAO (Recurrent Airway Obstruction), also wiederkehrende Verengung der Luftwege bezeichnet (früher sprach man von COB oder COPD). RAO ist gekennzeichnet durch eine Verengung der Bronchien (und ihrer weiteren Aufzweigungen) durch Schleim, Schwellung der Schleimhaut, die die Bronchien auskleidet und einen Bronchospasmus, also einen Krampf der Muskeln um die Bronchien herum, der diese zusammenzieht und so zusätzlich verengt. Die Atemwege verlieren zunehmend ihre Fähigkeit zur Selbstreinigung und werden überempfindlich. Nun können Pollen, Schimmelpilze und Milben eine Allergie auslösen, sie reizen aber auch bei nicht allergischen Pferden genauso wie Schadgase und Staub die Atemwege. Sie sind also immer schlecht und je weniger ein Pferd davon zu sich nimmt oder einatmet desto besser. Jede Maßnahme, die zu einer Verringerung dieser Stoffe führt, ist gut: viel Auslauf außerhalb des Stalls, nur Fegen, wenn die Pferde draußen sind oder sprengen vor dem Fegen, saubere, möglichst staubarme Einstreu, gute Durchlüftung des Stalls (keine Angst vor Zugluft), einwandfreie Heuqualität, Wässern des Heus, aber so, dass auch alles nass wird oder noch besser ein Heubedampfer…
Heubedampfer?
So einen Heubedampfer sah ich neulich zum ersten Mal. Es war so ein Haygain-Gerät. Es stand leise zischelnd in der Ecke und verströmte einen Geruch irgendwie zwischen Heißmangel und Sauerkraut. Das „gegarte Heu“ sah irgendwie appetitlich aus, wirkte tatsächlich ziemlich staubfrei und wurde auch ganz gerne gefressen. Das Gerät vernichtet mittels heißem Wasserdampf angeblich fast alle Keime und bindet den Staub. Pilzsporen werden allerdings nicht zerstört, dazu wäre eine wesentlich höhere Hitze nötig. Die Zeitschrift Cavallo hat so ein Haygain-Gerät mal getestet – im Vergleich dazu einen wesentlich günstigeren Eigenbau. Das Haygain schnitt etwas besser ab, weil das Heu danach nicht so nass und daher besser haltbar ist. Der Keimgehalt des Heus war bei beiden Geräten deutlich reduziert, während der Nährstoffgehalt unverändert blieb. Was sie allerdings nicht überprüft haben, ist der Vitamingehalt. Davon dürfte nach der Behandlung im Wasserdampf bei 100°C nicht mehr viel vorhanden sein… Vitamine kann man natürlich zufüttern. Wichtig ist: Man kann aus einem schlechten Heu auch mit einem Heubedampfer kein gutes Heu machen!
Heubedampfer selbst gebaut
Es gibt verschiedene Selbstbau-Anleitungen für einen Heubedampfer im Internet. Das „Original“ erhält man über eine facebook-Seite vom Vater aller Heubedampfer! Ich denke, grundsätzlich ist Heubedampfung eine gute Sache. Denn: Die ganze Allergieentwicklung ist ein Schwellenphänomen, d.h. erst wenn die Summe verschiedener Allergene und Reize eine Schwelle erreicht hat, kommt es zum Ausbruch der Erkrankung. Also lohnt es sich, auch einzelne Faktoren zu verbessern. Und vielleicht kann man den Bedampfer ja auch für sich als Schwitzhütte verwenden???
Herbstliche Grüße
Uta
P.S. Hier und hier ein „kleiner“ Überblick über Allergien beim Pferd… Und bald schreibe ich über RAO, das ist so wichtig, finde ich…
Es ist doch immer wieder erschreckend, was Pferde alles bekommen können, nur durch unsere Haltung. Da möchte man sich in die Haare greifen und tief aufseuzfen. Aber es ist gut, wenn man Zusammenfassungen wie eure bekommt und dann checken kann, wie man es dem Pferd so gut wie möglich gestalten kann. Danke dafür und für diesen spannenden Artikel, Petra
Liebe Petra,
danke für deinen Kommentar! Zum Glück gibt es immer mehr Tierhalter und -freunde, die sich Gedanken über artgerechten Umgang, Haltung und Fütterung machen. Lange Zeit war das ja gar kein Thema.
Viele Grüße
Uta